Von Ronald Blaschke (netzwerk-grundeinkommen.de):
Der Beschluss des Europäischen Parlaments zum so genannten „Zimmer-Bericht“ fordert die Kommission auf, die armutsbekämpfende Wirkung des bedingungslosen Grundeinkommens für alle zu prüfen. Dieser „Bericht über die Förderung der sozialen Integration und die Bekämpfung der Armut, einschließlich der Kinderarmut, in der EU“ ist mit Zustimmung aller deutschen Parlamentarier der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der Partei DIE LINKE, der SPD und der Mehrheit der Parlamentarier der CDU/CSU (übrigens auch alle für einen Mindestlohn gemäß EU-Definition) angenomen worden.
Darin heißt es unter Ziffer 7: „Das Europäische Parlament … stimmt der Kommission zu, dass die Sozialhilfeniveaus in den meisten Mitgliedstaaten bereits unterhalb der Armutsschwelle liegen; pocht darauf, dass das zentrale Ziel von Einkommensstützungssystemen darin bestehen muss, Menschen aus der Armut zu führen und ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, fordert die Kommission auf, die armutsbekämpfende Wirkung des bedingungslosen Grundeinkommens für alle zu prüfen.“
Mehr dazu auf der Homepage der Europa-Abgeordneten Zimmer. Soweit bekannt, ist der Passus zum bedingungslosen Grundeinkommen vom MdEP Sepp Kusstatscher, Grüne, eingebracht worden. Er ist auch an dem Berliner Grundeinkommenskongress beteiligt.
Die Annahme von Gabi Zimmers Bericht über Armut und soziale Integration in Europa am Donnerstag, 09. Oktober 2008, ist ein starkes Signal des Parlaments an Rat und Kommission für konkrete Ziele im Kampf gegen Armut. Sie ist ein erster Schritt zur Etablierung von Mindestlöhnen und Mindesteinkommen in allen EU-Mitgliedsstaaten. Armutsbekämpfung soll mit anderen Politikfeldern, wie Beschäftigungspolitiken, quervernetzt werden. Kinderarmut soll in all ihren Facetten bekämpft werden.
"Konkrete Zielvorgaben zur Armutsreduktion und Vorgaben zu Mindestlöhnen -und Einkommen ermöglichen es, dem Skandal der Armut und vor allem der Kinderarmut in der EU etwas entgegenzusetzen. Mein Bericht ist eine klare Handlungsanweisung des Parlaments an Rat und Kommission, einen Schritt in Richtung eines sozialeren Europa zu gehen", sagte Zimmer im Anschluss an die Plenumssitzung in Brüssel.
Der Bericht stieß unter anderem bei den europäischen Netzwerken gegen Armut (EAPN), für die Rechte des Kindes (Eurochild) und in der französischen Präsidentschaft, vertreten durch Martin Hirsch, Hoher Kommissar für aktive Solidarität gegen Armut, auf großes Interesse. Viele Experten und Interessenvertreter beteiligten sich an der mehrmonatigen Debatte.
Leider gibt es noch keine umfassende und auf konkrete Ziele ausgerichtete Strategie der Kommission zur EU-weiten Armutsbekämpfung. Mit ihrer Mitteilung zu Armut und sozialer Integration formulierte die Kommission jedoch erstmals vorsichtig die Notwendigkeit, konkrete Ziele der Armutsbekämpfung im Rahmen der Offenen Methode der Koordinierung zu entwickeln.
Die Annahme des Berichtes im Plenum ist ein wichtiges Signal aus dem EP an Rat, Kommission und Mitgliedsstaaten für einen ganzheitlichen und konkreten Ansatz im Kampf gegen Armut und für soziale Integration. In Anbetracht der sich ausbreitenden "Armut durch Arbeit" soll Armutsbekämpfung unmittelbar mit anderen Politikfeldern, vor allem Wirtschafts- und Beschäftigungspolitiken, verknüpft werden. Ein Konzept für "Gute Arbeit" ist hier eindeutig dem neoliberalen "Flexicurity" - Ansatz vorzuziehen. Die Rechte der Kinder sollen verstärkt und ausnahmslos in allen Bereichen geschützt werden.
Im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips werden die Mitgliedsstaaten in die Verantwortung genommen, sich konkrete Ziele bei der Bekämpfung der Armut und sozialen Ausgrenzung zu stellen und die Entwicklung ihrer spezifischen Methoden und Instrumentarien voranzutreiben.
Der Bericht wurde am 9. Oktober 2008 vom Plenum des Europäischen Parlaments angenommen.
Kommentare